WORMSER KIAUTSCHAU

Bild zeigt das damalige Wohngebiet Kiautschau

Die ehemalige und denkmalgeschützte Arbeitersiedlung liegt im Nordwesten von Worms. Als sie Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, befand sie sich noch weit außerhalb des Zentrums, weshalb die Wormser sie spöttisch nach der entlegenen chinesischen Kolonie Kiautschou benannten, die das Kaiserreich zu dieser Zeit gepachtet hatte.

Der Bau der ehemaligen Arbeitersiedlung war nötig geworden, weil die ansässige Industrie immer mehr Arbeiter einstellte, die angemessen untergebracht werden mussten.

GESCHICHTE

Entstanden ist das Wohnviertel auf Initiative des Wormser Unternehmers Cornelius Wilhelm Freiherr Heyl zu Herrnsheim. Er wollte angenehme und sozialverträgliche Wohnverhältnisse insbesondere für Arbeiterfamilien schaffen. Am 15. November 1897 gründete er zusammen mit 29 anderen Wormser Bürgern die Wohnungsbaugesellschaft “Aktiengesellschaft zur Erbauung billiger Wohnungen namentlich zum Besten von Arbeitern in Worms am Rhein”.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs errichtete die Aktiengesellschaft, respektive der damalige STADTBAUMEISTER PROF. KARL HOFMANN (1856-1927), 91 Häuser mit Zwei- und 21 mit Dreizimmerwohnungen, insgesamt also 112 Häuser mit 224 Wohnungen. Die Heyl AG hatte zusätzlich 42 Häuser mit 79 Wohnungen für die eigenen Arbeiter errichtet.  Die Häuser wurden in Fachwerk ausgeführt und fanden internationale Beachtung. Insgesamt hatte die Siedlung damals etwa 2000 Einwohner, die Wohnsituation war also recht beengt. Der Wohnblock zur Alicestraße hin, der als Torbau zur Siedlung gestaltet wurde, kam erst nachträglich in den 1920er Jahren hinzu.

Die Siedlung wurde während des Zweiten Weltkriegs nur in ihrem nördlichen Bereich beschädigt und dort in angepassten Formen wieder aufgebaut. Eine weitere Beschädigung des Ensembles war ein Wohnblock am südlichen Ende der Alicestraße, der in den 1970er Jahren dort hineingestellt wurde.

Bild zeigt Häuser in der Alicestraße im Jahr 2017

Die Häuser sind 1 ½-geschossig, unterkellert und hatten auf jedem Geschoss je eine Wohnung. Nur wenige Gebäude in Straßen-Ecklage wurden als einstöckige Einfamilienhäuser errichtet. Die Vorgärten waren mit Lattenzäunen zu den schmalen Straßen hin abgegrenzt. Die Straßen wurden überwiegend ohne separaten Gehweg angelegt.

Es gab Doppelhäuser mit Zwei- und einzeln stehende Häuser mit Dreizimmerwohnungen. Die Gebäude wurden im Landhausstil gestaltet, hatten einen Bruchsteinsockel, auf den in Backstein die Wände aufgemauert wurden. Das Obergeschoss wurde anfangs, bis 1904, in Sichtfachwerk ausgeführt, was bei den später errichteten Häusern aufgegeben wurde, weil es zu unterhaltungsaufwändig war. Krüppelwalmdächer mit Gaupen decken die Häuser.

Jede Wohnung hatte etwa 37–50 Quadratmeter Wohnfläche, WC, einen eigenen Eingang und einen Nutzgarten. Für die Verhältnisse am Ende des 19. Jahrhunderts war das zwar eine zeitgemäße Ausstattung, die durchschnittliche Belegung jeder Wohnung mit sechs bis sieben Personen schränkte den „Komfort“ aber sehr ein. Gas- und Wasseranschluss bestanden von Anfang an. Aufgrund der großen Entfernung zur Kernstadt gab es aber keinen Anschluss an das Abwassersystem. Der kam erst in den Jahren 1931 bis 1934 und der Stromanschluss wurde auch erst 1934 gelegt. Über die eigentliche Wohnungsbebauung hinaus gehende Infrastruktur fehlte zunächst ebenfalls völlig. Der Komfort-Standard lag für einen Neubau am Ende des 19. Jahrhunderts im unteren Bereich.

DENKMALSCHUTZ

Seit 1991 steht die Siedlung unter Denkmalschutz.
 

Nachdem die Häuser der Siedlung an einzelne Interessenten verkauft wurden, gab es eine Reihe ganz unterschiedlicher Eingriffe in Erscheinungsbild und Substanz. Insgesamt hat sich die Siedlung aber ihren historischen Charakter bewahrt. Geschützt wird sie heute zum einen durch eine städtische Gestaltungssatzung vom 02. Juli 2003 zum anderen durch den Status als Kulturdenkmal. Nach dem Rheinland-Pfälzischen Denkmalschutzgesetz ist die Siedlung insgesamt eine Denkmalzone.

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